Vereinigung der
Orgelsachverständigen
Deutschlands

Windladen

Windladen sind die zentralen Schalt- und Regelstationen einer Orgel. In ihnen wird der von der Balganlage kommende Orgelwind anhand der von den Trakturen ankommenden Informationen verteilt. Je nach Windladengattung gelangt dabei der Wind zunächst entweder an eine Verteilstelle für “Töne” oder eine für “Register”, in welcher sich Ventile zu lang gestreckten Hohlräumen, den Kanzellen, öffnen. Der Oberbegriff für erstere Windladengattung ist demnach Tonkanzellenlade, für letztere Registerkanzellenlade. Daneben gibt es noch die Gattung Kastenlade.

Um zu den Pfeifen zu gelangen, muss der Orgelwind, nachdem er in die Kanzellen gelangt ist, noch eine zweite Verteilstelle passieren. Wäre das nicht so, würden bei der Tonkanzelle alle Pfeifen eines Tones klingen (”Große Mixtur”), bei der Registerkanzelle alle Pfeifen eines Registers (”Cluster”). In der Tonkanzellenlade gibt es daher zusätzlich eine Verteilstelle mit Registerventilen, in der Registerkanzellenlade dagegen eine solche mit Tonventilen. Nach der Konstruktion dieser zweiten Verteilstelle werden die Windladenarten unterschieden. Im folgenden werden nur die Hauptarten vorgestellt; bei Kegel-, Taschen-, Membran- und Kastenladen existieren eine große Zahl von Konstruktionen, die sich vor allem in der Form der Ventile unterscheiden und meist den Namen ihrer Erfinder tragen.

Tonkanzellen in einer Tonkanzellenlade gibt es so viele wie Tasten auf der zugehörigen Klaviatur. Jeder Ton besitzt seine eigene Kanzelle, auf welcher die diesem Ton zugehörigen Pfeifen der verschiedenen Register stehen. Tonkanzellen verlaufen zwischen Vorder- und Hinterkante der Windlade, also quer zu den Pfeifenreihen.

Schleiflade: Unter den Pfeifenreihen jedes Registers befindet sich eine in Längsrichtung der Lade verschiebbare, flache Leiste - die Registerschleife. Bei der Herstellung der Windlade wird nun für jede Pfeife durch die Pfeifenstöcke und die Schleifen ein Loch bis in die zugehörige Tonkanzelle hinein gebohrt. Diese “Bohr”-position ist später die “An”-Stellung der Schleife, Luft kann - bei geöffnetem Tonventil - von der Kanzelle bis zur Pfeife passieren. Wird die Schleife durch die Registertraktur in “Ab”-Position geschoben, schließen sich alle Löcher (”Registerventile”) unter dem betreffenden Register.
Springlade: An Stelle der Schleifen besitzt diese Windladenart für jede Pfeife ein kleines Ventil an der Kanzellendecke.

Bei einer Registerkanzellenlade entspricht die Zahl der Registerkanzellen der Zahl der in diesem Teilwerk vorhandenen Register. Die Pfeifen jeweils eines Registers stehen dabei direkt auf der ihnen zugehörigen Kanzelle. Registerkanzellen verlaufen demnach in Längsrichtung der Windlade.

Kegellade: In den Registerkanzellen befindet sich für jede Pfeife ein kegelförmiges Tonventil. Unter der Windlade befinden sich quer verlaufende Wellen (bei mechanischer Traktur) oder Membranenleisten (bei pneumatischer Traktur), für jede Taste der zugehörigen Klaviatur eine. Bei Betätigung einer Taste heben an der Welle angebrachte Ärmchen oder die Membranen in den darüber befindlichen Registerkanzellen alle Ventile des betreffenden Tones an. Luft gelangt erst dann zur Pfeife, wenn auch die Registerkanzelle mit Luft gefüllt, d.h. das gewünschte Register eingeschaltet ist.
Taschenlade: Mit dieser Konstruktion konnten die Kegelventile eingespart werden; kleine Lederbälgchen (Taschen) mit aufgeleimter Dichtungsscheibe in der Registerkanzelle übernehmen selbst die Funktion des abdichtenden Ventils. Bei gedrückter Taste entweicht der Spiel- oder Trakturwind aus den zuvor an die Ventilöffnungen gepressten Taschen des betreffenden Tones, sie werden durch den Kanzellenwind aus den Registerkanzellen von eingeschalteten Registern zusammengedrückt, dieser gelangt an den Taschen vorbei zu den Pfeifen.
Membranenlade (pneumatische, elektro-pneumatische Traktur): Zur weiteren Vereinfachung der Bauteile wurden die Lederbälgchen durch Ledermembranen ersetzt, die gleichzeitig Dichtungs- und Durchlassfunktion erfüllen.

Eine besondere Gattung stellen die Kastenladen dar. Hier gibt es weder Ton- noch Registerkanzellen, die Ton- und Registerventile sind innerhalb eines gemeinsamen Windkastens untergebracht. Die pneumatische und elektrische Kastenlade förderte die Entwicklung des Multiplex-Sytems, bei dem aus wenigen Pfeifenreihen großen Umfangs (”Prinzipal”, “Flöte”, “Streicher”) durch Oktav - und Quintauszüge eine Vielzahl von Registern gewonnen werden konnte - allerdings erwies das System sich wegen der entstehenden “Tonlöcher” und der “verstimmten” Aliquotregister musikalisch als unbrauchbar.

Die Pfeifen “großfüßiger” Register (16′, 8′) sind teuer und benötigen viel Platz. Es wurden daher bei den Windladen technische Einrichtungen ausgedacht, welche solche Register vielseitiger nutzbar machen können. Vor allem bei kleineren Orgeln mit mechanischen Schleifladen lassen sich so die Registriermöglichkeiten kostengünstig erweitern

Transmissionen wurden schon im 17. Jahrhundert gebaut. Durch sie können ein oder mehrere Register eines Teilwerkes gleichzeitig und unabhängig voneinander auch auf einem anderen Teilwerk gespielt werden. Wechselschleifen funktionieren ähnlich, nur dass die betreffenden Register nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd auf den verschiedenen Teilwerken benutzt werden können.

Mittels eines Vorab- oder Halbzuges lässt sich aus einem Register mit mehreren Pfeifenreihen (z.B. Mixtur, Sesquialter) eine einzelne Pfeifenreihe “vorab” benutzen. Beim Sesquialter etwa erklingt bei halb herausgezogenen Registerknopf die Pfeifenreihe des 2 2/3′-Chores, bei ganz gezogenem Register klingt zusätzlich die Pfeifenreihe 1 3/5′.
Die Extension ist eine Erweiterung einer Pfeifenreihe um 12 oder 24 Töne, um aus ihr mehrere Register unterschiedlicher Tonhöhe herausziehen zu können. Wegen der beim Multiplex-System beschriebenen Nachteile ist eine Extension nur bei Pedalregistern zu empfehlen.

Die Schleiflade hat sich heute gegenüber allen übrigen Windladensystemen durchgesetzt. Als musikalischer Vorteil wird die durch das Luftpolster der Tonkanzelle begünstigte weiche Tonan- und -absprache angesehen. Bei Schleifladen mit großer Registerbesetzung tragen besondere Ventilkonstruktionen (Doppelventil, Vorventil, Balancier) oder Barkerhebel zu einer akzeptablen Spielart bei.

Registerkanzellenladen sind bei Orgeln der Romantik unverzichtbarer Bestandteil der gesamten Orgelanlage. Neo-Barocke Dispositionen klingen auf ihnen jedoch meist unbefriedigend, da die durch das Öffnen der Tonventile verursachten Winddruckschwankungen in der Registerkanzelle hochliegenden Registern einen “zitternden” Klang verleihen. Dagegen ermöglicht die “explosive” Tonansprache den passenden romantischen Registern erst ihre typische Klangaussage.